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Institut für Organische Chemie

Ribozym durchleuchtet: Erfolg für Würzburger RNA-Forschung

14.01.2025

Forschende um Chemikerin Claudia Höbartner haben jetzt die 3D-Struktur des RNA-Enzyms SAMURI aufgedeckt. Ihre Studie liefert Erkenntnisse zur Entwicklung von Ribozymen und Einblicke in die Evolution katalytisch aktiver RNAs.

Das Ribozym SAMURI (Kristallstruktur in grün) bietet den strukturellen Rahmen für die Katalyse der chemischen Reaktion zur Übertragung der RNA-Modifikation.
Das Ribozym SAMURI (Kristallstruktur in grün) bietet den strukturellen Rahmen für die Katalyse der chemischen Reaktion zur Übertragung der RNA-Modifikation. (Image: Hsuan-Ai Chen/JMU)

RNA-Moleküle sind aus unserem Körper nicht wegzudenken: In den Zellen sorgen sie für die Weitergabe von Erbinformation und regulieren die Aktivität von Genen. Einige von ihnen wirken sogar katalytisch und lassen chemische Reaktionen ablaufen, die ansonsten gar nicht oder nur sehr langsam vonstattengingen. Enzyme, die aus RNA bestehen, heißen „Ribozyme“.

Eine Gruppe Forschender rund um Professorin Claudia Höbartner der Julius-Maximilians-Universität Würzburg (JMU) hat jetzt die dreidimensionale Struktur eines ganz besonderen Ribozyms entschlüsselt: von SAMURI. Dabei handelt es sich um ein im Labor hergestelltes RNA-Molekül, das das Team erstmals 2023 vorgestellt hatte. Die Ermittlung der 3D-Struktur von SAMURI gelang den Forschenden vom Institut für Organische Chemie mittels Röntgenkristallstrukturanalyse und in Zusammenarbeit mit Professor Hermann Schindelin vom Rudolf-Virchow-Zentrum Würzburg.

Kleine Veränderungen mit großer Bedeutung

Was SAMURI für die Forschenden so interessant macht, ist seine ganz besondere Fähigkeit: Das Ribozym kann andere RNA-Moleküle gezielt an einer bestimmten Stelle chemisch verändern und so deren Funktion beeinflussen – zum Beispiel aktivieren oder für Proteine erkennbar machen. Solche Veränderungen haben in der Natur einige sehr wichtige Aufgaben und sorgen dafür, dass RNAs ihre Funktion richtig ausüben können. Kommt es bei dieser Regulation zu Fehlern, weist eine RNA also zu viele oder zu wenige chemische Veränderungen auf, kann dies zum Ausfall bestimmter Stoffwechselprozesse führen.

„Wir können uns RNA-Moleküle vorstellen wie Sätze, aufgebaut aus einzelnen Wörtern und Buchstaben (den Nukleosiden)“, erklärt Höbartner. „Kleinste Veränderungen an einzelnen Stellen – wie etwa der Austausch eines Buchstabens – können die Bedeutung eines Wortes oder des ganzen Satzes vollkommen verändern.“ So wie aus dem Wort ,Sage‘ durch die Ergänzung zweier kleiner Punkte ,Säge‘ werde, und damit aus einer Erzählung ein Werkzeug, so ähnlich verhalte es sich auch auf Zellebene: „Hier erhält die RNA die neue Information, indem die Natur kleine chemische Veränderungen an ihr vornimmt. In der Wissenschaft sprechen wir von sogenannten Modifikationen. Dabei führen Enzyme eine chemische Reaktion der RNA durch und nutzen dazu das Hilfsmolekül S-Adenosylmethionin, oder kurz: SAM, das für viele Prozesse in der Zelle wichtig ist.“

Auch SAMURI nutzt SAM, um Modifikationen an der RNA vorzunehmen. Das Spannende: Auch einige natürliche, in Bakterien entdeckte RNA-Moleküle können mit SAM wechselwirken – allerdings ohne dass sie die chemische Reaktion katalysieren. Sie modifizieren also keine weitere RNA.

Wie sich die künstliche RNA derart von natürlich vorkommender unterscheidet, diese Frage können die Forschenden dank der entschlüsselten Molekülstruktur von SAMURI nun besser beantworten. „Untersuchungen legen nahe, dass natürlich vorkommende SAM-bindende RNA auf frühere Ribozyme zurückgehen könnte, die im Laufe der Evolution ihre katalytischen Funktionen verloren haben“, so Höbartner.

Grundlagenforschung als Basis zur Entwicklung neuer Therapieansätze

Erkenntnisse über die Struktur und Funktionsweise katalytischer RNA ist wichtig, um bestehende Ribozyme zu verbessern und neue zu entwickeln. Bedeutsam wären diese zum Beispiel für die Erforschung natürlicher RNA-Modifikationen – etwa um diese sichtbar zu machen, aber auch für deren Verwendung in therapeutischen RNAs.

„Unsere Erkenntnisse könnten deshalb neue Ansätze liefern für die Entwicklung RNA-basierter Therapeutika“, sagt Höbartner. „Eventuell könnten weiter entwickelte Ribozyme eines Tages selbst als Wirkstoffe zum Einsatz kommen.“

Finanzielle Unterstützung für die Arbeit gab es von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG).

Zur Studie

Structure and catalytic activity of the SAM-utilizing ribozyme SAMURI. Hsuan-Ai Chen, Takumi Okuda, Ann-Kathrin Lenz, Carolin P. M. Scheitl, Hermann Schindelin & Claudia Höbartner. Veröffentlicht am 8. Januar 2025. DOI: 10.1038/s41589-024-01808-w

Kontakt

Prof. Dr. Claudia Höbartner, Leiterin des Lehrstuhls für Organische Chemie I, Tel. +49 931 31-89693, claudia.hoebartner@uni-wuerzburg.de

Von Sebastian Hofmann

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