Pump-Probe-Spektroskopie
Das Leben und die in ihm enthaltenen Prozesse bestehen aus der zeitlichen Abfolge von Ereignissen. Um diese Prozesse, wie z. B. chemische Reaktionen, auf der fundamentalen Verständnisebene der Quantenmechanik zu begreifen und möglicherweise technologisch zu nutzen, müssen wir Erkenntnis über die Dynamik der aus Atomen zusammengesetzten Moleküle und Festkörper erlangen. Die Dynamik von Elektronen und Schwingungen in Molekülen oder Festkörpern ereignet sich dabei auf einer Zeitskala von Femto- bis Pikosekunden (10-15 s bis 10-12 s) und ist somit um viele Größenordnungen schneller als die Schaltraten von einigen Nanosekunden (10-9 s) in modernen Computerchips. Man benötigt also Ereignisse zum Starten und Abfragen des zu untersuchenden Prozesses, die schneller sind als dieser Prozess selbst.
Zur Untersuchung ultraschneller Dynamik in quantenmechanischen Systemen verwenden wir daher Femtosekundenlaserpulse, vorwiegend im optischen Spektralbereich. In diesen Laserpulsen ist das Licht auf eine kurze Zeitspanne von wenigen Femtosekunden konzentriert, so dass sie sich als Start- und Stopp-Ereignis in der transienten Absorptionsspektroskopie eignen, die auch "Pump-Probe-Spektroskopie" genannt wird.
Das Messprinzip besteht darin, dass ein Laserpuls, der sogenannte Pump-Puls, das zu untersuchende System anregt und damit die Dynamik von Prozessen im System startet. Ein zweiter Puls, der sogenannte Probe-Puls, interagiert zeitverzögert mit dem angeregten System und fragt dessen Zustand ab. Im obigen Beispiel löst sich durch die Anregung mit dem Pump-Puls ein Teilsystem ab, das dann als eigenständiges System im roten Spektralbereich angeregt werden kann. In der transienten Absorptionsspektroskopie misst man dann als Funktion der Zeitverzögerung T zwischen Pump-Puls und Probe-Puls eine Zunahme der Absorption im roten Spektralbereich, die man durch das Fehlen der entsprechenden spektralen Anteile im Probe-Puls mittels eines Spektrometers feststellen kann. Um die Zu- oder Abnahme der Absorption feststellen zu können, vergleicht man die Spektren des Probe-Pulses, die mit an- und abgeschalteten Pump-Puls aufgenommen wurden.
In unserer Arbeitsgruppe beschäftigen wir uns mit der Entwicklung von neuen Methoden der transienten Absorption, die es erlauben, das Prinzip der zeitaufgelösten Spektroskopie auf vielfältige Systeme und Prozesse anzuwenden. Diese Prozesse umfassen zum Beispiel die zeitliche Dynamik von chemischen Reaktionen.
Chemische Prozesse bilden die Grundlage unseres täglichen Lebens. Viele dieser Prozesse und die darin ablaufenden Reaktionen werden durch Lichteinstrahlung gestartet. Dazu zählen als bekannte Beispiele die für das Sehen wichtige photochemische Dynamik von Rezeptormolekülen in der Netzhaut des Auges, die Photosynthese von Pflanzen und Bakterien oder die Bildung von Vitamin D in der menschlichen Haut unter Sonneneinstrahlung. Es liegt daher auf der Hand, dass Licht auch als Werkzeug eingesetzt werden kann, um chemische Prozesse in einer gut kontrollierten Laborumgebung in Gang zu setzen und zu untersuchen. Als Beispiel dient hier die photochemische Umwandlung vom Merocyanin-Isomer TTT zu TTC, wie unten gezeigt [1]. Eine solche Umwandlung findet in der molekularen Elektronik Verwendung.
Der Pump-Puls bringt zunächst viele TTT-Moleküle in den elektronisch angeregten Zustand S1. Da sich nun weniger TTT-Moleküle im Grundzustand S0 befinden, nimmt die Absorption des Probe-Pulses bei der entsprechenden Wellenlänge ab und das Signal wird negativ, d. h. die Änderung der Absorption ist kleiner null (GSB: Ground State Bleach). Vom S1-Zustand des TTT aus erfolgt nun innerhalb von 200 fs eine Umwandlung zum TTC-Isomer über kohärente Dynamik molekularer Schwingungen. Wenn der angeregte S1-Zustand des TTC nach 160 ps in den Grundzustand S0 zerfallen ist, können die entsprechenden TTC-Moleküle wieder vom Zustand S0 nach S1 angeregt werden. Entsprechend wird der Probe-Puls bei 595 nm mehr Absorption von dieser Spezies erfahren und es gilt hier ΔAbsorption >0. Weil diese Absorption nur durch die Pump-Puls-induzierte Isomerisierung erfolgen konnte, nenn man das Signal auch Produktabsorption (PA: product absorption). Beide Isomere, TTT und TTC, weisen zudem kurz nach der Anregung durch den Pump-Puls eine Anregung durch den Probe-Puls vom jeweiligen Zustand S1 in höher angeregte elektronische Zustände Sn auf. Diesen Vorgang nennt man „excited state absorption“ (ESA) und er hat ein positives Signal, da die Absorption des Probe-Pulses im zugehörigen Spektralbereich von <500 nm eine vorherige Anregung durch den Pump-Puls erfordert [1].
Wir haben verschiedene neue Varianten der Pump-Probe-Spektroskopie entwickelt, mit welchen wir zum Beispiel die Dynamik chiraler Moleküle [2] sowie die Dynamik in elektrochemischen Prozessen [3] gezielt untersuchen können. Eine besondere Errungenschaft stellt die Möglichkeit dar, transiente Absorptionsspektren von einfachen sowie mehrfachen Anregungen systematisch und hintergrundfrei zu isolieren, was jahrzehntelang nicht möglich war [4]. Die gezielte Abfrage der Wechselwirkung zwischen mehreren Anregungen ermöglicht uns dabei, Rückschlüsse über den Energietransport in Materialien zu schließen, die für technologische Entwicklungen wie Solarzellen wichtig sind.
Referenzen
[1] | S. Ruetzel, M. Diekmann, P. Nuernberger, C. Walter, B. Engels und T. Brixner, Hier nutzen wir die Pump-Probe-Spektroskopie mit variabler Anregungswellenlänge, um die Photoisomerisierungsreaktion eines Merocyanin-Farbstoffs zu verfolgen. |
[2] | A. Steinbacher, H. Hildenbrand, S. Schott, J. Buback, M. Schmid, P. Nuernberger und Tobias Brixner, |
[3] | J. Heitmüller, K. Eckstein, R. Renner, M. Stolte, T. Hertel, F. Würthner und T. Brixner, In organischen Solarzellen ist die Ladungsseparation ein wichtiger Schritt. Wir haben eine elektrochemische Zelle mit Femtosekunden-Spektroskopie kombiniert, um die ultraschnelle Dynamik von geladenen molekularen Spezies zu untersuchen. |
[4] | P. Malý, J. Lüttig, P. A. Rose, A. Turkin, C. Lambert, J. J. Krich, and T. Brixner, Wir haben eine Methode entwickelt, mit welcher wir das schwache Messsignal der Wechselwirkungen zwischen mehreren Exzitonen aus dem dominierenden Messsignal der Absorption von einzelnen Exzitonen herauszufiltern und demonstrieren diese an diversen Systemen wie Polymeren, Lichtsammelkomplexen, und Nanokristallen. |