Funktionswerkstoffe: Schnittstelle zwischen Chemie, Physik und Medizin
19.03.2024Innovative Materialien für die Medizin, die Solartechnik oder die Elektronik: Der Studiengang Funktionswerkstoffe bietet den Studierenden ein breites Arbeitsfeld und viel Abwechslung.
Chemie studieren oder Physik? Wer sich bei dieser Frage nicht so richtig entscheiden kann, sollte einen genaueren Blick auf den Bachelorstudiengang Funktionswerkstoffe der Julius-Maximilians-Universität (JMU) Würzburg werfen. Denn dieser materialwissenschaftliche Studiengang vereint beide Fächer und bietet noch dazu Schnittstellen zur Biologie und Medizin. Er ist zulassungsfrei und startet jeweils zum Wintersemester.
Funktionswerkstoffe stecken praktisch überall, zum Beispiel in Handys, Solarzellen und Implantaten. Sie wandeln Licht in Strom um, lösen Airbags aus oder zeigen bei medizinischen Schnelltests Wirkstoffe im Blut an. Wer sich mit Funktionswerkstoffen befasst, arbeitet an wichtigen Schlüsseltechnologien der Zukunft mit.
Nanopartikel bringen Medikamente direkt zum Tumor
Studentin Samira Müller kam durch den Chemieunterricht an ihrem Gymnasium in Augsburg zu den Funktionswerkstoffen: Dort wurde ein Film über Nanotechnologie gezeigt, und das war für sie die Initialzündung: „Chemie in kleinsten Dimensionen, dazu Schnittstellen zu Physik und Biologie – ich war begeistert“, sagt sie. Von da war ihr Weg an die JMU nicht mehr weit: Bei ihrer Suche nach passenden Studiengängen erlebte sie in Würzburg das beste Beratungsgespräch, hier gefiel ihr die Stadt am besten.
Mittlerweile ist Samira Masterstudentin, einer ihrer Schwerpunkte liegt auf der Polymertechnologie: Im Team von Professor Lutz Nuhn befasst sie sich mit biologisch abbaubaren Nanopartikeln, die Arzneistoffe direkt an die richtigen Stellen im Körper bringen sollen. Krebsmedikamente zum Beispiel könnten auf diese Weise zukünftig viel gezielter zu den Tumorzellen transportiert werden. Gelingt das, wäre die Therapie effektiver und hätte weniger Nebenwirkungen. In einem Praktikum hat Samira unter anderem gelernt, solche Partikel herzustellen, sie mit Wirkstoffen zu beladen und dann zu analysieren, wie viel Wirkstoff eingebaut wurde.
Hauchdünne Schichten auf Oberflächen auftragen
Auch Tilman Stark ist Masterstudent. Ein Highlight im Bachelorstudium war für ihn ein Physik-Praktikum, in dem es um die Wärmeleitfähigkeit von Dämmstoffen oder um Beschichtungstechnologien ging. „Solche Technologien kommen zum Beispiel bei der Herstellung von Halbleitern zum Einsatz“, sagt er. Dabei werden hauchdünne Materialschichten aufgetragen und im Anschluss bearbeitet.
Die Herstellung von Knochenzement war eine weitere praktische Übung, an die Samira und Tilman sich gut erinnern. Das ist aber bei weitem nicht alles: „Wir können uns im Studium mit supervielen Materialien beschäftigen“, sagen die beiden.
Das liegt auch daran, dass es in Würzburg gewichtige Kooperationspartner gibt, bei denen die Studierenden Praktika oder Abschlussarbeiten machen können: das Kunststoffzentrum, das Fraunhofer-Institut für Silicatforschung, das Zentrum für Angewandte Energieforschung. Nach dem Abschluss bieten diese drei Forschungseinrichtungen auch berufliche Perspektiven. Den Absolventinnen und Absolventen der Funktionswerkstoffe stehen mit ihrer breiten Ausbildung auch Berufschancen in Industrie, Verwaltung oder Unternehmensberatungen offen.
Bei aller Begeisterung über die Vielfalt der Funktionsmaterialien solle Studieninteressierten aber bewusst sein, dass in den ersten beiden Semestern auch einiges an Mathematik auf dem Lehrplan steht. „Das ist gut zu schaffen, man muss aber dranbleiben“, sagt Tilman. Sehr zu empfehlen seien die Vorkurse, die an der Uni noch vor dem Start des ersten Semesters angeboten werden: „Die führen einen gut an die Themen und das Niveau der universitären Mathematik heran.“
Aktivitäten außerhalb des Studiengangs
Tilman und Samira haben sich im Studium auch Zeit genommen, um über den Tellerrand ihres Fachs zu schauen.
Tilman hat beispielsweise beim Career Centre der Uni ein Seminar über Vortragstechniken besucht. Die Dozentin, eine Schauspielerin, brachte den Teilnehmenden unter anderem bei, wie man ohne Scheu eine freie Rede halten und mit der richtigen Körpersprache eine hohe Präsenz beim Publikum erreichen kann. Für die Referate, die er bislang im Studium gehalten hat, war das ganz nützlich. Die Angebote des Career Centre sind kostenfrei und stehen allen Studierenden offen. Das Team berät zu den Perspektiven in und nach dem Studium und unterstützt Studierende mit einem thematisch breit angelegten Seminarprogramm dabei, ihr Qualifikationsprofil zu schärfen.
Samira leitet nebenbei einen Schulwettbewerb des Clusters Nanotechnologie, der auf dem Würzburger Hubland-Campus angesiedelt ist. Der Wettbewerb war ihr von früher vertraut, denn sie hat in ihrer Schulzeit selbst daran teilgenommen. Mitmachen können bayerische Schülerinnen und Schüler von der 5. bis zur 13. Jahrgangsstufe mit Poster- oder Projektbeiträgen; am Ende gibt es eine Prämierungsfeier. Zu Samiras Aufgaben gehört es, den Ablauf zu organisieren, Einreichungen zu sichten und zu bewerten.
Ziel des Wettbewerbs ist es, bei jungen Leuten das Interesse für Nanowissenschaften zu wecken – was bei Samira ganz offensichtlich gut geklappt hat. Ihr Wissen über Nanopartikel wird sie im Sommer 2024 bei einem Auslandsaufenthalt in Spanien weiter vertiefen: Bei einem Praktikum, gefördert vom europäischen Mobilitätsprogramm Erasmus, wird sie in der renommierten Arbeitsgruppe von María J. Vicent am Centro de Investigación Príncipe Felipe in Valencia weitere Nanomaterialien für die Krebstherapie erforschen.
Weblink
Bachelor- und Masterstudiengang Funktionswerkstoffe